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Gäste aus Südafrika mit Partnern aus Pirna Gäste aus Südafrika mit Partnern aus Pirna Thomas Schuster

Reformation und die Eine Welt

geschrieben von  Christine Müller Sep 23, 2016

Seit zehn Jahren bereiten sich die Kirchen auf das Lutherjubiläum 2017 vor. In den letzten Jahren wurden einzelne Schwerpunkte gesetzt und die Reformation mit Themen wie Bildung, Musik, Toleranz oder Politik näher beleuchtet. Das Jahr 2016 steht unter dem Thema „Reformation und die Eine Welt“.

Seit vielen Jahren ist es den Kirchen wichtig, ihren Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in dieser Welt zu leisten. 1959 wurde das Werk „Brot für die Welt“ gegründet, 1968 der Kirchliche Entwicklungsdienst. Auch die Missionswerke haben sich auf diesen Weg der Gerechtigkeit begeben. Seit der Gründung der Arbeitsstelle Eine Welt in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens 1996 wird auch in unserer Landeskirche das Bewusstsein für mehr Gerechtigkeit stärker geschärft. Während es für nicht wenige Christinnen und Christen und einige Gemeinden inzwischen selbstverständlich ist, sich im Fairen Handel, in der Partnerschaftsarbeit oder bei Aktionen und Kampagnen zu engagieren, ist nach meinen Erfahrungen der Widerstand gegen dieses Engagement in der Landeskirche trotzdem immer noch ziemlich groß.

Wir müssen lernen, dass die Reformation nicht nur eine innerkirchliche Erneuerungsbewegung war, sondern eine umfassende Bewegung zur Erneuerung auch von Struktur und Aufgaben der Obrigkeit in der Gesellschaft. Luthers Programmschriften zur Schulreform, zur Begrenzung des Wuchers, zur Einrichtung von sogenannten „Ordnungen des Gemeinen Kastens“ (also Vorformen der späteren kommunalen Armenfürsorge) sowie seine Erinnerung an die gesellschaftliche Verantwortung des Adelsstandes sind Zeugnisse dafür, dass reformatorischer Glaube das Anliegen der Weltverantwortung von Anfang an immer mit bedacht hat. Diese reformatorische Verantwortung bleibt. So gilt auch, fast 500 Jahre nach dem vermeintlichen Thesenanschlag Luthers, immer noch das Ethos – bewusst machen, aufklären und aufbegehren.

Die Themen haben sich verändert und wir stehen vor neuen Aufgaben. Ob es die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel, eine verbesserte Flüchtlingspolitik, der notwendige Dialog zwischen den Religionen ist; reformatorisch handeln heißt gemäß dem 21. Jahrhundert auch, die Vielfältigkeit des Menschseins anzunehmen und gegen Intoleranz, Hass und Fundamentalismus aufzubegehren. Und diese Akzeptanz der Verschiedenheit von Sprachen, Umwelt und kulturellen Kontexten gilt es auch weiterhin im Sinne reformatorischer Handlungsabsichten auszubilden. Mit kritischen Fragen an sich und die Welt, könnten die reformatorischen Ideen aktueller nicht sein.

Sächsische Aktivitäten

Mit dem Reformationsjubiläum und dem Themenjahr „Reformation und die Eine Welt“ 2016 können wir nun die Chance auch in unserer Landeskirche nutzen, das Bewusstsein der Menschen, Institutionen und Organisationen dafür zu stärken, dass es nur die Eine Welt gibt. Wir können erfahrbar und erlebbar machen, dass jeder Mensch auf dieser Erde durch sein Handeln und Wirken an der Gestaltung der Einen Welt beteiligt ist.

Dafür haben wir als sächsische Landeskirche für das Jahr 2016 ein Programm entwickelt.

Wie zu den voran gegangenen Themenjahren entstand ein Themenheft. „Reformation und die Eine Welt“ http://www.evlks.de/doc/Themenheft_2016_web.pdf

Die Frühjahrssynode beschäftigte sich mit dem Thema: „Lutherische Kirche in der Einen Welt – Glaube und Gerechtigkeit“. Referenten waren der ungarische Bischof Dr. Tamas Fabiny, der die eindeutige Ablehnung seiner Kirche gegenüber der Flüchtlingspolitik in Ungarn zum Ausdruck brachte und der Leitende Bischof Dr. Fredrick O. Shoo aus Tansania, der ein sehr erfolgreiches Baumpflanzprojekt für Konfirmand*innen entwickelt hat.

Das Themenjahr hat es möglich gemacht, dass wir als Landeskirche eine Internationale Partnerschaftstagung durchführen konnten und Gäste aus Ost, West, Nord und Süd nach Meißen in die Evangelische Akademie einladen konnten. In der Landeskirche gibt es vielfältige Partnerschaften von Gemeinden, Kirchenbezirken, kirchlichen Institutionen und dem Leipziger Missionswerk, die einen regelmäßigen Austausch pflegen und in den meisten Fällen auch Projekte initiieren.

Nun bot sich die Gelegenheit, das Themenjahr „Reformation und die Eine Welt“ als eine große Lernchance zu nutzen, zum ersten Mal gemeinsam mit ökumenischen Partner*innen weltweit hartnäckig und gezielt nach den Wurzeln der Reformation zu fragen und zu formulieren, was Reformation heute bedeutet: in Kirche, Wirtschaft, Sozialem Leben und der Einen Welt. Wo ist Umkehr nötig? Was muss sich ändern?

Anregungen dazu kamen aus den USA, Dänemark, Frankreich, Russland, Indien, Rumänien, Tansania und Sachsen.

Der Hauptreferent Dr. Martin Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), zeigte auf, welche Bedeutung das Zeugnis von reformatorischen Kirchen im Blick auf heutige Fragestellungen und Herausforderungen für die Menschheit hat. Dabei nahm er Bezug auf das Thema der nächsten Vollversammlung 2017 in Namibia: „Befreit durch Gottes Gnade“. In den dazu gehörigen Unterthemen heißt es:

  • Die Erlösung – für Geld nicht zu haben (Salvation - not for sale

  • Die Menschen – für Geld nicht zu haben (Human beings - not for sale)

  • Die Schöpfung – für Geld nicht zu haben (Creation - not for sale)

Das ist eindeutig eine Haltung „gegen die Vermarktung aller Lebensbezüge“.

Es geht um den Einspruch gegen die Vermarktung von Gaben, die ihrem Wesen nach dem Markt eigentlich entzogen sind und nie und nimmer zum Gegenstand monetärer Transaktionen werden dürfen. Mit diesem dreifachen „not for sale“ wird somit ein Einspruch gegenüber einer Ideologie erhoben, die den Markt und den Profit als Orientierungspunkt für menschliches Handeln aufstellt, und damit die politische, ökonomische und soziale Interaktion von Menschen und Gemeinschaften unter dieses ordnende Prinzip stellt.

Es liegt in der Fortsetzung dieser reformatorischer Kritik an Systemen der Verquickung von Religion und Ökonomie und Luthers großen Kampfschriften zur Neuordnung der damaligen Herrschaftsmächte, dass kirchliche Entwicklungswerke sich heute, 500 Jahre danach, ebenso engagiert für die internationale Reform eines Weltfinanz- und Handelssystems aussprechen, das mit einer quasireligiösen Fixierung auf das Leitziel eines unbegrenzten Wirtschaftswachstums der führenden Industrienationen der Mehrheit der weltweit armgemachten Bevölkerungsschichten keine gleichberechtigten Zugangschancen zu Wohlstand und Sicherheit ermöglicht.

Die Weltagenda der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG-Agenda) ist ein weiteres Tätigkeitsfeld. Gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisationen-Community muss der politische Druck aufrechterhalten werden, diese einzigartige internationale Chance zu einem alternativen Weltentwicklungsvertrag nicht verstreichen zu lassen.

 

Abschließend bleibt die Frage, ob wir als Kirchen – besonders hier in Sachsen - in der Zukunft so aufgestellt sind, dass wir in Gemeinde, Schule und Öffentlichkeit einen wesentlichen, ausreichenden und vorbildlichen Beitrag zur Verbreiterung der gesellschaftlichen Akzeptanz eines neuen Lebens- und Konsummodells in unserem Kontext geben können und uns gleichzeitig für neue ökonomische und politische Rahmenbedingungen einsetzen?

Ganz sicher geht es nur gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und den sozialen Bewegungen. Die kubanischen Partner*innen nennen das „Makro-Ökumene“.

 

 

Letzte Änderung am Donnerstag, 20 Oktober 2016 13:26

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